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Protected: aus dem archiv “gemordete”
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Manfred Sack, Unwirtliche Gemütlichkeit, Die Zeit, okt1985
Die Stadt verliert ihr Elixier: das Städtische – nun erst recht
Die Zeit, 11.Oktober 1985
Unwirtliche Gemütlichkeit
Der „gemordeten Stadt“ zweiter Teil- mit Bildern, Dokumenten und fünf Essays / Von Manfred Sack
Zwanzig Jahre danach haben sie nun nachgesehen, was aus der „gemordeten Stadt“ geworden ist, die sie Anfang der sechziger Jahre mit scharfem, ja seherischem Blick beobachtet und publik gemacht haben. Die drei Autoren – die Photographin Elisabeth Niggemeyer sowie die Journalistin Gina Angress und Wolf Jobst Siedler — haben damals mächtige Furore gemacht mit ihrem frechen, enthüllenden, anklagenden Buch, dessen Titel sich bald selbständig gemacht hat und ein beliebter Slogan geworden ist, unter dessen Mantel vielerlei Unmut Platz hatte.
Die Zeit war reif dafür – und begierig darauf. Kurz bevor „Die gemordete Stadt“ erschien, hatte die Journalistin Jane Jacobs „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ beschrieben, wenig später hatte der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ beklagt. Rundum: Irrtümer, enttäuschte Hoffnungen, mißverstandene Maximen, phantasieloses Denken, undifferenziertes Handeln, ästhetische Blindheit — die mißbrauchte Moderne und die vom Verkehr beherrschte Stadt waren in einem Bild des Jammers aufgegangen.
Und jetzt? Hat sich „die gemordete Stadt“ wieder aufgerappelt? Kein Zweifel, ein bißchen. Haben die Stadtpolitiker, die Planer, die Architekten ihre Irrtümer erkannt? Gewiß, nur sind ihnen beim Korrigieren der alten Fehler neue unterlaufen. Hat die Stadt sich wenigstens wieder ein wenig schön gemacht? Und wie, scheußlich schön. Hat sich also doch erwas geändert – womöglich zum Guten gewendet?
Da jemand den hübschen Einfall gehabt hat, dem Vorwort des neuen Buches von 1985 das des alten von 1964 voranzusetzen, bekommt man schnell die erste Antwort. Vor zwanzig Jahren meldete Wolf Jobst Siedler das „Verlöschen des eigentlich Städtischen, das von Babylon bis zum kaiserlichen Berlin durchhielt und ein besonderes Wohngefühl, nämlich: das emotionale Stadterlebnis, möglich machte“. Nun, nach dem neuen Rundgang durch dieselbe Stadt, resümiert er, eher nüchtern als resigniert: „Die Sehnsucht gilt heute dem Städtischen, und der Begriff ist zu einem Losungswort geworden, das sich alle Parteien zurufen.“ Es scheint, als empfinde die Stadt immerhin den Mangel. Jedoch gehe dabei, während er korrigiert wird, „nun noch einmal verloren, was sie uns kostbar machte – jene Atmosphäre der Metropolen, die auch einen besonderen Menschentypus hervorgebracht hatten: den Städter“.
Das Buch über „Die gemordete Stadt“ führte einst die gräßlichen Bemühungen vor Augen, „mit neuen Mitteln“ – denen der Moderne – „alte Wohnfiguren“ zu verwirklichen. In dem neuen Buch ist zu betrachten und zu lesen, wie die Stadt der Kritik zu begegnen versuchte: mit einer offensichtlich verquälten Idyllik; in ihrer Hilflosigkeit sucht sie am liebsten Halt im Gestrigen, im Hiıstorischen, genauer in der Sentimentalität. Da sie ihren Verbesserungsvorsatz, um seiner sicher zu sein, auch zu kodifizieren versucht hat, trifft der Titel des neuen Buches das Thema sehr genau:
Gina Angress, Elisabeth Niggemeyerer: „Die verordnete Gemütlichkeit – Der gemordeten Stadt II.Teil“, mit Essays von Wolf Jobst Siedler; Quadriga Verlag J. Severin, Berlin, 1985; 224 S., 576 Abb., Ln. 49,80 DM.
Freilich eröffnen sich der treffliche Titel und die Essenz dieses sich etwas wirr darbietenden Buches nicht schon dem, der die Bilder betrachtet, sondern erst dem, der es liest. Denn das Besondere sind, wie beim vorangegangenen, seine drei Autoren, ihre Professionen, vor allem ihre Temperamente. Die Photos, Hunderte von Photos, sind das Fundament, selbstverständlich, das Anschauungsmaterial, faszinierend durch die scheinbar unendliche Menge ihrer abstoßenden, wunderlichen, häßlichen, possierlichen, „unglaublichen“ Sujers. Das ganze Arsenal, beinahe wörtlich: die ganze Waffenkammer ist darin ausgebreitet, aus der die Stadt ihr Exterieur zu ordnen, aber auch zu verschönern versucht. Es ist das in Wahrheit immobile Straßen-„Mobiliar“, dem zur Zeit unter dem scheinbar unverdächtigen Namen urban design in Frankfurt am Main die erste, eine ganze eigene Messe eingerichtet worden ist.
Das Stadtinventar begreift alles in sich, was den Gebrauch der Stadt durch ihre Bewohner reguliert und reglementiert, aber eben auch schmücken, also ästhetischen Gewinn erhoffen lassen soll. Man staunt, was es zum Beispiel allein an Pollern gibt, kurze dicke Stümpfe, mächtige Kugeln, kriechende Halbkugeln, kunststoffüberzogene Pfeiler, dekorierte, der Historie nachgebildete Rohre, Absperrbügel, Gitter – Gerätschaften jedenfalls, deren wahre Qualität durch die amtliche Erläuterung formuliert wird: „fahrzeugabweisende Elemente zur Eindämmung und Verhinderung illegaler Parkvorgänge“. Lauter Pollervokabeln. Es rechnen auch übel in den wunderlichsten Formen dazu, Flaschen-Container, Mülleimer, Papierkörbe, Bänke, Straßenschilder und vieles andere.
Nicht zuletzt gehören Laternen dazu. Schwerlich zu glauben, aber wahr: Dort zum Beispiel, wo die Hardenbergstraße in den Ernst-Reuter-Platz mündet, ließ man, um das moderne Arrangement nicht zu stören, die unmodernen „Hardenbergleuchten” verschrotten, haushohe, originell gewundene Laternen von zweifellos großstädtischem Aplomb. Nun, da Berlin sich auf seine 750-Jahr-Feier vorbereitet, wird der Kurfürstendamm damit ausgerüstet, das Stück zu 32.000 Mark nachgebaut, jedes so teuer wie ein großes Auto. Und nicht zu zählen allein die Versuche mit der „Schinkel-Leuchte“ in vielen Größen und Entstellungen. Nun steht sie sogar im Märkischen Viertel, die Moderne zu versüßen – lauter Hilfsgesuche an die Geschichte.
Die ästhetischen Schauer fühlt man indessen nicht nur beim Betrachten der Bilder (und bei der Begegnung mit einem wilden, die Häßlichkeit und das Durcheinander der Stadt offenbar mit einem dies auch noch verstärkenden Punk-Layout, das der Qualität der Photographien arg zusetzt). Man empfindet sie vor allem bei den ausgesuchten, gescheit zusammengestellten Texten, die die Bilder pointieren und ihnen oft erst ihre ganze Zeugniskraft entlocken. Man ahnt eine diebische Lust beim Aufstöbern und beim Plazieren. Es sind Kommentare, die ihre Meinung nicht in wütenden oder höhnischen Formulierungen bekanntgeben, sondern in Tatsachen, in Zitaten aus Gesetzen, Vorschriften, Richtlinien, Proklamationen, aus schrecklich gut gemeinten Empfehlungen für die Denkmalpflege, der Stadtgestaltung, für Architektur, Begrünung – oft mächtig in die Irre gehende Hoffnungen.
Manchmal erzählt Gina Angress, der diese Schatzgräberei in Gesetz- und Ärchivblättern zu danken ist, einfach das, was 1964 war und bis heute geschehen ist. Manchmal nennt sie auch nur Zahlen, Mengen, Preise, auch Aktionen und Katastrophen. Sie tut es in einer konsequent trockenen, vor Sachlichkeit beinahe knarrenden Sprache, in der Adjektive nur gebraucht werden, um etwas genauer zu beschreiben, nicht um etwas zu bewerten. Eben dies eröffnet dem Leser sein eigenes Abenteuer bei der Lektüre dieses Bilderbuches.
Wolf Jobst Siedlers Essays sind darin kleine Orchideenbeete, intellektuelle Zwischenspiele, in denen der Leser versuchen darf, seine Verwirrung zu ordnen: originell gedacht und manchmal zum Widerspruch reizend, elegant geschrieben und verführerisch formuliert. Mitunter merkt man nicht gleich, dass man gar nicht gerade, sondern über raffiniert verschlungene Wege mitbewegt wird durch diese fünf Essays – und oft ganz woanders hin.
Sie sind mit oder ohne Umschweife der lange Abgesang auf „die Moderne“ und alles das, was ihre unbegabten Exekuteure damit angerichtet haben: eine Epoche, sagt er, an ihrem Ende. „Die postmoderne Anstrengung in den Städten stellt die Bühne wieder her, aber ein anderes Stück steht auf dem Spielplan. Es ist ein hilfloses Sehnen, das mit den Requisiten auch das Szenario der bürgerlichen Welt wiedergewinnen will.“ Deprimierend, dieses „in die Irre gehende Verlangen, mit dem die Stadt vergessen machen will, was die Stadt ist“, mehr noch als vor zwanzig Jahren: „Die Herrichtung von Schonbezirken, die Kindern, Greisen und Rabatten vorbehalten sind, der Verlust allen Sinns für das Angemessene, was zu Kandelabern in Trabantenstädten und Pflanzbeeten auf dem Boulevard geführt hat, macht darauf aufmerksam, dass die Stadt heute so wenig wie gestern mit sich ins Reine kommen kann.“ Diesmal aber weist der Essayist — einsichtiger als vor zwanzig Jahren und ausdrücklicher — darauf hin, dass das Verschwinden des besonderen Menschentypus, des Städters, „aber vielleicht weniger die Schuld der Baubehörden als die der Epoche“ sei, „und so ließe sich denn sagen, dass die Irrtümer der Planer die Wahrheiten des Zeitgeistes sind“. Wer weiß, wie wir in den nächsten zwanzig Jahren mit der Stadt zurechtkommen werden.
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Friedrich Luft, SZ,1955
Friedrich Luft, Süddeutsche Zeitung, 1. Mai 1955
Reverenz vor München
das münchner jalır. Ein Photobuch mit 97 Aufnahmen von Elisabeth Niggemeyer und Texten von Walter Foitzick. Süddeutscher Verlag. München. 112 Seiten, kart. 18.80 DM, Leinen 21.50 DM.
In jedem guten Photo ist vielmehr als der Zufall verborgen. Gewiß, Glück muß bei der Sache sein. Aber das kommt auch hier. am Ende nur immer dem Tüchtigen zu Hilfe. Die künstlerische Photogrphie ist ein Produkt aus Geduld, Souveränität im Technischen, Augenlust, Wille zur Komposition, aus Ergriffenheit vor dem Gegenstand und Liebe zum Objekt.
In früheren Zeiten standen die Maler auf unseren Plätzen und registrierten pinselnd das Leben. Das tun die, auf die es heute ankäme, so nicht mehr. Die subjektive Wiedergabe des Gegenständlichen ist eine künstlerische Provinz, von der sich die Photographen viel erobert haben. Unsere Städteschilderer äugen durch die Linse.
Dabei sind der Knipser Myriaden. Photographen ernsthaften Kalibers gehen heute in Europa auf die Finger zweier Hände. Mit diesen 100 erstaunlichen und sehr unterhaltsamen Belichtungen der urbanen, krausen, frommen, frivolen, angebehaglichen, nervösen und geruhsamen Stadt München stellt sich die blutjunge Elisabeth Niggemeyer unverdrossen dieser raren Spitzengruppe bei. Ihr eignet eine fröhliche Wollust des Schauens. Sie schwelgt zärtlich im Sichtbaren. Allein, wie sie zwei Münchner in der Tram optisch überlistet und durch das Fenster noch einen weichen Ausblick auf die Straße gewinnt, ist meisterlich und enthält unversehens beides ganz: die Leute und die Stadt.
Oder wie sie dem Stachus von oben beikommt: eine Katze spielt am Fensterbrett; unten wurlt der Verkehr und tut sich wichtig; Träumerei und Betrieb: München. — Oder ein Gartenlokal am Starnberger See. Nur gedeckte Tische, Nebel, Wasser, verhängte Berge, zwei einsame Männer auf einem feuchten Steg. Das ist der Herbst. Und zu sagen, daß Monet oder Sisley das auch nicht viel anders eingefangen hätten, wäre falsche Schmeichelei. Dies ist immer Photo mit den legitimen Mitteln des Photos. Nur staunt man, wie viele Nuancen des Wohlgefälligen diese neue Photographin der Sache München abgewinnt: Melancholie ist da, Humor, eine Art sarkastischer Freude am Kontrast, eine zierliche Hingabe an die Lust der Linien und Konturen und immer eine ganz ungehemmte Freude am Schauen. Diese Elisabeth Niggemeyer photographiert nie auf Teufel komm raus „originell“. Aber sie sieht original. Und das macht ihre 100 verlockenden Bilder so frisch und so heiter, so anmutig, so treffend.
Sie hat Glück gehabt. Derart wohlausgewogen, modern, handlich und kontrastreich editiert wurde lange kein Bildband wie der ihre. Und wenn Walter Foitzick jeweils mit ein paar feuilletonistischen Sätzen die Münchner Jahreszeiten für sie, sozusagen, einläutet, hat er es fast schwer. Diese Bilder sprechen ihre eigene Sprache schon so sehr beredt.
Reverenz vor München, daß es so „photogen“ ist! Aber alle Hochachtung auch vor dieser jungen Photographin, die es so witzig und würzig, so wohlgefällig und merk-würdig neu entdeckt hat!
Friedrich Luft
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cadoro 2018
22.5.18 zur ausstellungseröffnung
nina und sabine, die sich dieses liebenswürdige café ausgedacht haben und betreiben, sind freunde meiner kinder und haben mich vor ein paar wochen gefragt, ob ich fotos gemacht habe, die was vom tod oder von friedhöfen erzählen….ja, habe ich….und jetzt hängen hier die bilder vom berühmten pariser friedhof PERE LACHAISE und ich darf etwas dazu erzählen….
zuerst einmal grosses dankeschön an euch beide, nina und sabine…..ich freue mich, dass ich etwas zu eurem café cadoro beitragen kann, diesem ganz besonders reizvollem ort, an dem man sich einfach wohlfühlen muss, besonders bei diesem himmlischen wetter und dem köstlichen kuchen von sabine und euren fabelhaften kaffeespezialitäten……
nun zu meinem beitrag: ich mache keine schönen einzelfotos sondern will und wollte schon immer mit fotos und jetzt mit fotokollagen erzählen, was mich freut oder ärgert, begeistert oder mir leid tut, auf was ich aufmerksam machen will, um was man sich kümmern muss…vor kurzer zeit bin ich dir begegnet, ulrike, weil du für deine doktorarbeit DAS FOTO ALS ARGUMENT auch das buch DIE GEMORDETE STADT heranziehst… das haben gina köhler und ich mit feuilletons von wolf jobst siedler 1963 gemacht. Das foto als argument, als mittel zum zweck, das machen auch die 20 broschüren PARIS PUZZLE aus, dokumentation der schönen nebensächlichkeiten, die ich in den 20 stadtbezirken von paris gefunden habe …. ich hatte das glück, ab 1986 bis 2012 öfter im jahr für ein paar wochen in paris zu wohnen…wollte dort aber kein parisbuch machen, weil es tausende schöne schon gab….eines tages beim spazierengehen durch das marais sahen wir ich an einem wunderschönen aber ziemlich bröckelnden stadtpalais ein schild: FREIGEGEBEN ZUR RENOVIERUNG….
das muss dokumentiert werden…pierre holte die kamera von zu hause, ich
fotografierte das ruinöse palais und unser schrecken wurde leider bald bestätigt:
renovierung a la disney-world….schönste stukkaturen mit dicker heller farbe
zugekleistert…am tag dieser entdeckung entschloss ich mich alles zu
dokumentierten, was ich schönes altes in paris entdeckte, und vor dem zerbröckeln vielleicht bewahrt werden musste…PARIS FAIT GAFFE! paris, pass auf! …. das betraf keine sehenswürdigkeiten…es waren schöne nebensächlichkeiten, die ich einsammelte…jeden tag nahm ich die metro und stieg an einer mir unbekannten station aus…augen ganz weit auf, nach oben, unten, links und rechts…ich war atemlos begeistert…neugierig glücklich und kannte keine müdigkeit… so ging es mir auch mit dem weltberühmten friedhof PERE LACHAISE im 20.arrondissement….ohne lageplan der berühmtheiten menschen wie chopin, oskar wilde, edith piaf , sarah bernhardt, maria callas, maqrcel proust, jean de la fontaine… durch zufall habe ich chopin gefunden, aber nicht fotografiert, weil lauter menschen mit ihren handys die sicht nahmen….in meinen parisführern hatte ich vorher gelesen, das der name vom beichtvater ludwig des 14. stammt…ihm wurde 1624 das 44ha grosse grundstück vom könig geschenkt und er errichtete dort ein erhohlungsheim für seine jesuiten… die mussten aber 100 jahre später weg aus paris und die stadt erwarb das hügelige und herrlich bewaldete grundstück für einen riesenfriedhof … er liegt am äussersten rand der pariser schnecke (erklären)… ursula kardoff in ihrem reiseführer sagte, dass hier das abewchselungsreichste freilichtmuseum der welt sei, ein totenpark, der im katalog der sehenswürdigkeiten drei sterne bekommen hat…er sei auch eine politische wallfahrtsstreckke: 1814 kämpften hier studenten gegen russen..vergeblich, 1871 aufständische der kommune gegen die truppen aus versailles..auch vergeblich: 147 aufständische wurden an der mauer, die heute als mur des fédéres zu besichtigen ist, erschossen …. ergeifend sind die mahnmale des letzten krieges, der KZs ravensbrück, auschwitz, mauthausen…also der pères lachaise war für mich das paradies der nebensächlichen schönheiten … und als ich nach vielen stunden totmüde und hungrig ein bistro suchte war das erste die MÈRE LACHAISE…ein winzigrestaurant mit wunderschönen aktfotos von a925 dekoriert! also, wenn ihr mal wieder nach paris fahrt, unbedintgt durch die RUE DE LA RÉPOSE (strasse des ausruhens) und an dem restaurant A LA RENAISSANCE (zur wiederauferstehung) vorbei mit bequemen schuhen solange die neugier euch trägt über hügel und durch wälder auf der suche nach (so emphiehlt der grüne michelin) “herzergreifenden steinmetzwerken”, die auch wenn esw sich um keine berühmtheiten handelt, erhalten bleiben müssen.
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Lernen, bevor man zur Schule geht
Tages Anzeiger Magazin, Nr.20, 20.7.1970, Jürgen Zimmer
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Zum fünfzigjährigen Erscheinen eines Klassikers der Städtebau-Literatur
Steffen de Rudder,
“Die gemordete Stadt” Zum fünfzigjährigen Erscheinen eines Klassikers der Städtebau-Literatur
Forum Stadt 2 /2014 / Forum Stadt Verlaglesen ? klicken !
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presse: ich und die welt
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Brief aus Offlanges 2009
Elisabeths Brief Leben 2009-2010 Offlanges
erstmal bzw. eher für privaten gebrauch
teil 1 • zum blättern
Kindheit Bochum, Krieg, Nachkrieg, INIBO, erste Lieben, München, Fotoschule, Peter Pfefferkornteil1 • direkter link zum leichter lesen
teil 2 • zum blättern
Triebenbach, Berlin, Babelsbergerstr., Will McBride, Beruf , Friedrich und Heide Luft, Trödel, Gina Köhler, Kinder, Niklasstraße, Offene Sonntage im Garten …teil2 • direkter link zum leichter lesen
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Gefällt dir diese Familie?
Für Kinder von neun Jahren an ist ein »Photo-Lesebuch« mit Berichten über Normalfamilien, über Wochenend- und Schüler-Ehen, über mutter- und elternlose Haushalte bestimmt. 04.09.1977, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 37/1977
Ulrike ist 20 und macht in drei Monaten das Abitur. Ihre Tochter Lena ist acht Wochen alt. Vater Lutz, 24, über die Familie mit der Abiturientin als Ehefrau und dem Säugling: »Es nervt mich schon manchmal, ich verberge es auch nicht. Es passiert was zwischen uns dreien, Aggressionen gibt es, schon ganz schöne. Aber ich hab das Gefühl, daß es in Ordnung ist.«
Dieser Schüler-Ehe ist einer von 16 »Berichten aus dem Familienalltag« gewidmet, die Antoinette Becker schrieb und Elisabeth Niggemeyer photographierte. Sie sind als »Photo-Lesebuch« erschienen — für Kinder von neun Jahren an*:Antoinette Becker/Elisabeth Niggemeyer: »Meine Familie — Deine Familie. Berichte aus dem Familienalltag.« Otto Maier Verlag, Ravensburg; 172 Seiten; 25 Mark.
Weitere Beispiele:
Familie 7: Sülcran, 13, Saime, 16, Oshan, 14, Burhan, 2, und Nussan (vier Monate) wohnen, essen und schlafen mit ihren Eltern in einem Raum. »In der Ecke läuft der Fernseher, aber ohne Ton, zu leiser türkischer Musik von einem Plattenspieler.«
Das Schlafzimmer der Eltern wird nur einmal in der Woche geheizt, täglich wäre es zu teuer. Neue Möbel sind da, werden aber nicht benutzt, Plastikhüllen schützen sie gegen Staub. »Alles muß neu sein, wenn Familie Küpeli einmal in die Türkei zurückkehrt.«
Die Mädchen dürfen nicht zu deutschen Freundinnen nach Haus, nicht ins Kino, nicht mal allein vor die Tür. Die Mutter: »Mädchen gehören nicht auf die Straße.«
Familie 6: Der Fernfahrer kommt am Freitagabend nach Haus. Dann muß Klaus, 11, aus dem Schlafzimmer ausziehen. Erst am Montagabend ist für ihn »alles wieder in Ordnung. Da ist Papa längst auf den Fernstraßen, und Klaus nimmt seinen Steiff-Hund, seine Taschenlampe, sein Briefmarkenalbum und seinen Wecker in Mamas Zimmer und legt seine Schätze auf Papas Nachttisch«.
Familie 12: Ralf, 9, zu Andreas, 6: »Ich bin aus Mutters Bauch gekommen. Du nicht, du bist ein Pflegekind.« Ralf irrt. Auch er ist, wie die fünf anderen, ein Pflegekind des Taxifahrers Wilinga und seiner Frau. Sie spricht von »Großpflegestelle«, halbamtlich heißt es »Ersatzfamilie«. Gelegentlich kommen die Väter und/oder Mütter zu Besuch.
Familie 13: Seßhaft in einem Bungalow und einem halben Bauernhaus sind Roland, 10, Petra, 13, Jessica, 9, und Claudia, 15, mit ihren Eltern.
In jeder Hinsicht, so scheint es, lebt diese Familie »in guten Verhältnissen«. Eines ihrer Alltags-Probleme: »Wer bewegt das Pferd heute?« Tochter Petra über die Freizeit: »Wir machen sehr viel. Wir leben richtig im Streß mit unseren Hobbys.«
Familie 15: Nur in Berlin zieht der kleine Zirkus Safari umher, trotzdem kennen die Kinder des Direktors schon viele Schulen. Dort »begegnet ihnen eine sehr fremde Welt«. Daß der Preis für Heu pro Zentner von 43 auf 46 Mark gestiegen ist, weiß Manuel, 9. Aber es dauert seine Zeit, bis bei den Schulaufgaben 17 und 5 addiert sind, »und 5 und 9 ist zuerst 13 und dann doch 14«.
Die Bilder von Elisabeth Niggemeyer, die vor acht Jahren zusammen mit der Textautorin Nancy Hoenisch und dem Psychologen Jürgen Zimmer einen Bestseller über »Vorschulkinder« herausbrachte, sind mehr als nur Illustration. Der Bielefelder Pädagoge Hartmut von Hentig im Vorwort: »Die Bilder sagen vor allem: daß es wahre Geschichten sind, keine Erfindungen eines Sozialwissenschaftlers mit pädagogischem Ehrgeiz.«
In der einen Familie fehlt die Mutter, in der anderen der Vater, in wieder einer anderen ersetzt die Großmutter die Eltern. Mal hat ein Kind keine, mal zu viele Geschwister.
»Wir bleiben lieber für uns«, ist das Motto einer dreiköpfigen Familie. Der Kontrast: Zu einer Wohngemeinschaft hat sich ein Ärzte-Ehepaar mit einem anderen Paar (Architekt mit Studentin) und einem Junggesellen vereint, der nicht selten die Kinder beider Eltern wartet. Und wenn die beiden Frauen weg sind, teilen sich die drei Männer die Hausarbeit.
Berichtet wird nicht nur, daß hier das Essen aus der gemeinsamen Kasse bezahlt wird und daß abends jeder die Sorgen des anderen teilt: »Probleme gehen immer alle an.«
Es wird auch geschildert, daß die Gemeinschaft enger ist, als viele Bürger-Kinder sich vorstellen:
Jeder darf in alle Zimmer, wenn die Türen offen sind. Wenn sie zu sind, dann wissen Jenny und die Erwachsenen: Hier darf man jetzt nicht hinein; hier ist einer drin, der alleine sein will. Oder wenn jemand bei ihm ist, heißt das: Die wollen nicht gestört werden! Alle halten sich an diese Spielregel.
Oder gar:
Es gibt nur ein Badezimmer. Die Gemeinschaft hat beschlossen, daß eben alle gleichzeitig ins Badezimmer dürfen. Um sieben rasiert sich Paul, Jenny hockt auf dem Topf, ihre Mutter sitzt auf dem Klo, Jochen duscht sich, und Erika steht in der Badewanne.
Überwiegend stehen in dem Buch Geschichten ohne dramatische Ereignisse. Nur aus einer Familie versucht der Sohn zu flüchten. In einer anderen stirbt die Oma, die als Eltern-Ersatz unentbehrlich schien.
Und das Heimkind Manuela, 7, scheitert bei zwei Versuchen, in eine Familie überzuwechseln. Beim ersten wollten die Eltern es adoptieren, aber Tochter Katharina, 8, hintertrieb es: »Sie weiß, daß dieses Heimkind vielleicht immer zur Familie gehören wird. Damit ist sie aber ganz und gar nicht einverstanden. Doch das hat sie niemandem gesagt.« Sie zeigt es:
Katharina führt Manuela ihre Spielsachen vor. Manuela ist entzückt, besonders von einer großen Puppe.
»Das ist meine Puppe«, sagt Katharina und ergreift sie. »Du kannst die andere haben.«
Beide Mädchen sitzen wortlos, jedes in einer Ecke vom Sofa.
»Schau mal«, sagt plötzlich Katharina, »schau mal dieses Kettchen an, gefällt es dir?«
Manuela nickt stumm, sie würde das Kettchen sehr gerne haben. »Du bekommst es«, hier zögert Katharina, »in einem Jahr, wenn du brav bist.
Manuela schaut auf den Boden. »Komm, ich zeig dir den Kaufladen.« Manuela rührt nichts an, sie schaut vor sich hin, untätig und fremd.
Zumeist ist es der Alltag, der zu Problemen und Konflikten führt, im Bungalow wie im Zirkuswagen — in der einen Familie, weil die Mutter nachts ins Krankenhaus zu Patienten muß (Sohn Oliver: »Warum schlafen sie denn nicht?”), in einer anderen, weil die siebenjährige Tochter nach der Ehescheidung mit dem Vater lebt und an der Mutter hängt.
Die Frage an die Eltern, die dieses Buch aufwirft, stellt Hartmut von Hentig in seinem Vorwort: »Wann soll ein Kind, ein aufwachsender Mensch … erfahren, welche Alternativen es zu seiner Familie gibt? Wann ist es zu spät? Wann zu früh?«
Den meisten Berichten schließen sich Fragen an, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen unter den Lesern beschäftigen sollen — auch in der Schule, wie der Verlag erwartet.
Schon weil es Lehrern freisteht, das Buch zur Klassenlektüre zu machen, bringt es für allzu ängstliche bundesdeutsche Eltern ein neues Thema: ob nicht wie die Sexualerziehung in der Schule auch diese offene Familien-Aufklärung zu weit geht. Typische Fragen:- Zum Bericht über Abiturientin als Mutter: »Warum war Ulrike nicht sicher, daß sie als schwangere, verheiratete Frau in der Schule bleiben dürfe? Kannst du es verstehen? Findest du, daß sie nicht mehr in die Schule gehen sollte?«
- Über das Mädchen Astrid, das mit seinem Vater zusammenlebt: »Kannst du verstehen, warum sie manchmal zum Vater böse ist, wenn sie von der Mutter zurückkommt?«
- Zu einem Bericht über, eine Familie, in der »jeder seine eigenen Wege geht, um woanders etwas Glück zu finden”: »Kannst du dir auch vorstellen, daß ein Jugendlicher sich von der Familie abzulösen versucht, um sich selbst und seinen Weg zu finden?«
- Zum Bericht über eine unverheiratete Mutter und ihre Tochter: »Was denkst du über das Heiraten — auf dem Standesamt, in der Kirche?«
Am Bericht über die Wohngemeinschaft sollen die minderjährigen Leser lernen, »was ein Vorurteil ist”:
Wenn du jemanden oder etwas beurteilst und dir eine Meinung bildest, bevor du geprüft hast, ob dieses Urteil mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Ober die Wohngemeinschaften gibt es viele Vorurteile, weil hier Menschen eine Lebensform gewählt haben, die anders ist, als wir es gewöhnt sind. Sicher gibt es unordentliche und unerfreuliche Wohngemeinschaften. Aber es gibt auch solche Familien.
Diese Wohngemeinschaft hier findet, daß sie das Leben gemeinsam besser bewältigt und daß ihre Kinder mehr mit den Problemen unserer Welt vertraut werden: zum Beispiel sich mit anderen Menschen solidarisch zu fühlen, Verantwortung für sie zu tragen, ihre Bedürfnisse zu kennen und mit ihnen zu teilen.
Was gefällt dir an dieser Wohngemeinschaft nicht?
Am stärksten werden viele Kinder die Fragen zur »Familie in guten Verhältnissen« auf sich selbst beziehen. Denn streicht man zweiten Wohnsitz, Reitpferd und Tennis, so wird sich gar manche Familie in diesem Bericht wiedererkennen. Fragen, die ihm folgen:
»Gefällt dir diese Familie? Ist das eine Lebensform, die du allen Menschen wünschen würdest? Findest du, daß diese Kinder wirklich in einem Streß leben? Fehlt dir etwas in diesem Tageslauf?«
aus:
https://www.spiegel.de/politik/gefaellt-dir-diese-familie-a-118449f8-0002-0001-0000-000040831438 -
AUSWAHL
Wolf Jobst Siedler / Elisabeth Niggemeyer: »Die gemordete Stadt«.
17.03.1964, 13.00 Uhr• aus DER SPIEGEL 12/1964
Texter und Photographin verklären am Beispiel von Berlin den Charme von Großstadt-Hinterhöfen und Gründerzeit-Fassaden und verspotten die tristen Resultate moderner Stadtplanung. In der witzigen, aber auch selbstironischen Bilderbuch-Elegie auf den durch »Sanierung« und »Entballung« bewirkten Verlust an Urbanität kommen alte Bäume, Kneipen und Laternen und sogar ein »vierständiges, gußeisernes Pissoir« zu Ehren. (Herbig; 192 Seiten; 19,80 Mark.)
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Die Zerschmückung der Städte
Die Zerschmückung der Städte
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01.12.1985, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 49/1985
Sie kosten Milliarden und ärgern Millionen, die häßlichen Poller aus Beton oder Stahl. Poller – als stabile Pfähle zur Befestigung von Schiffstauen waren sie erfunden worden. Nun sind sie versteinert, auch schon im Sprachbestand des Duden: »Markierungsklötze für den Straßenverkehr«.
Im Bürodeutsch von Tiefbauämtern und Verkehrsbehörden heißen sie »fahrzeugabweisende Elemente zur Eindämmung und Verhinderung illegaler Parkvorgänge« – und in demselben Stil verschandeln sie auch die Zentren deutscher Städte. Wo immer ein Platz neu gestaltet, ein Wohngebiet abgeschottet oder ein Fußweg geschützt werden soll, rücken Baukolonnen an, um die unförmigen Stolpersteine zu installieren.
Die Sperrklötze, wahlweise rund, als Halbkugel oder in Säulenform lieferbar (aktueller Bestseller ist der postmoderne »Aluminium-Pflock im Nostalgie-Look”), sollen, wie ein Hersteller verspricht, die »Ortskerne attraktiver und menschlicher machen«.
Bürger hingegen, die sich an den robusten Hindernissen die Knie gestoßen oder das Autoblech verbeult haben, schimpfen über die greulichen Produkte des Beton-Zeitalters – am schlimmsten ist die Beleidigung fürs Auge.
Die Unbeholfenheit der Behörden im Umgang mit Pilz-, Hut-, Sitz- und Bismarck-Pollern wird von Gina Angress und Elisabeth Niggemeyer in einem Bildband dokumentiert: »Die verordnete Gemütlichkeit« (Quadriga Verlag J. Severin, Berlin; 224 Seiten; 49,80 Mark). Am Beispiel Berlins belegen die Autorinnen mit einer »Fülle von Ärgerlichkeiten« die abschreckende Straßensperren-Architektur, vom sandgestrahlten Pfosten mit Stahlarmierung bis zur Blumenwanne aus Waschbeton.
Die »aufwendige Zerschmückung ihrer Städte«, fordern die Autorinnen, sollten die Bewohner nicht einfach gedankenlos hinnehmen, sondern »abräumen lassen, worüber sie stolpern«.
https://www.spiegel.de/kultur/die-zerschmueckung-der-staedte-a-fe2a6d7b-0002-0001-0000-000013515043
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presse: verordnete gemütlichkeit
Süddeutsche Zeitung Nr.194, 24.8.1985, Lore Ditzen, Scheußliche neue Schönheit
Zitty Nr.21/1985, Die verordnete Gemütlichkeit, Der gemordeten Stadt II.Teil
Die Zeit, 11.10.1985, Unwirtliche Gemütlichkeit, Der “gemordeten Stadt” zweiter Teil, Manfred Sack
Sender Freies Berlin, Buchzeit, 15.10.1985, Dieter Hoffmann-Axthelm
Süddeutsche Zeitung Nr.253, 3.11.1985, P.C.Mayer-Tasch, Die kleinen Ungeheuer
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Spiegel 14/1985, W.J.Siedler, Vom Boulevard zur Spielstraße
Spiegel 49/1985, Die Zerschmückung der Städte