Die Zerschmückung der Städte


Die Zerschmückung der Städte

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01.12.1985, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 49/1985

Sie kosten Milliarden und ärgern Millionen, die häßlichen Poller aus Beton oder Stahl. Poller – als stabile Pfähle zur Befestigung von Schiffstauen waren sie erfunden worden. Nun sind sie versteinert, auch schon im Sprachbestand des Duden: »Markierungsklötze für den Straßenverkehr«.

Im Bürodeutsch von Tiefbauämtern und Verkehrsbehörden heißen sie »fahrzeugabweisende Elemente zur Eindämmung und Verhinderung illegaler Parkvorgänge« – und in demselben Stil verschandeln sie auch die Zentren deutscher Städte. Wo immer ein Platz neu gestaltet, ein Wohngebiet abgeschottet oder ein Fußweg geschützt werden soll, rücken Baukolonnen an, um die unförmigen Stolpersteine zu installieren.

Die Sperrklötze, wahlweise rund, als Halbkugel oder in Säulenform lieferbar (aktueller Bestseller ist der postmoderne »Aluminium-Pflock im Nostalgie-Look”), sollen, wie ein Hersteller verspricht, die »Ortskerne attraktiver und menschlicher machen«.

Bürger hingegen, die sich an den robusten Hindernissen die Knie gestoßen oder das Autoblech verbeult haben, schimpfen über die greulichen Produkte des Beton-Zeitalters – am schlimmsten ist die Beleidigung fürs Auge.

Die Unbeholfenheit der Behörden im Umgang mit Pilz-, Hut-, Sitz- und Bismarck-Pollern wird von Gina Angress und Elisabeth Niggemeyer in einem Bildband dokumentiert: »Die verordnete Gemütlichkeit« (Quadriga Verlag J. Severin, Berlin; 224 Seiten; 49,80 Mark). Am Beispiel Berlins belegen die Autorinnen mit einer »Fülle von Ärgerlichkeiten« die abschreckende Straßensperren-Architektur, vom sandgestrahlten Pfosten mit Stahlarmierung bis zur Blumenwanne aus Waschbeton.

Die »aufwendige Zerschmückung ihrer Städte«, fordern die Autorinnen, sollten die Bewohner nicht einfach gedankenlos hinnehmen, sondern »abräumen lassen, worüber sie stolpern«.

https://www.spiegel.de/kultur/die-zerschmueckung-der-staedte-a-fe2a6d7b-0002-0001-0000-000013515043